Planetoidenmonde im Hauptgürtel
Sylvia und Romulus
Nicht nur die großen Planeten wie der Jupiter oder die Erde haben
Monde, sondern auch Planetoiden
(Kleinplaneten; eine weitere Bezeichnung ist "Asteroiden" ["Sternähnliche"],
diese ist allerdings
irreführend, da Planetoiden Sternen nicht ähneln). Viele
Planetoiden bewegen sich auf Bahnen,
die sich vollständig zwischen der Mars- und der Jupiterbahn befinden.
Den Bereich, in dem diese
Planetoidenbahnen liegen, bezeichnet man als Planetoiden- oder Hauptgürtel.
Er erstreckt sich
ungefähr zwischen 1,8 und 4,2 AE Sonnenabstand (1 AE = 1 Astronomische
Einheit
= mittlerer Abstand der Erde zur Sonne = rund 1,5 Mio. km), sodass
auch die
großen Bahnhalbachsen (mittlere Sonnenabstände) der Hauptgürtelplanetoiden
zwischen 1,8 und 4,2 AE liegen (zum Vergleich: Mars: 1,5 AE; Jupiter:
5,2 AE).
Ida und Dactyl
Der erste Planetoidenmond im Hauptgürtel
wurde am 17. Februar 1994 entdeckt. Die Sonde
Galileo war am 28. August 1993 an (243) Ida vorbeigeflogen; von den
Aufnahmen, die sie
dabei gemacht hatte, wurde aber aufgrund einer stark eingeschränkten
Datenübertragungsrate
von 40 bit/s (statt sonst ca. 115 kbit/s) nur ein Teil zur Erde zurückgesendet,
und zwar im
Wesentlichen ab 15./16. Februar 1994 und vorerst stark datenreduziert,
indem nur
schmale, gitterstabartige Streifen der Aufnahmen übertragen wurden,
um unter den
gegebenen Umständen diejenigen Bereiche für eine vollständige
Datenübertragung
auswählen zu können, die Ida auch wirklich zeigten.
Entdeckungsbild von Dactyl
Als die ersten der so übertragenen Bilder am 17. Februar von Ann
Harch vom Galileo Imaging Team
durchgesehen wurden, bemerkte sie, dass auf einem dieser Streifen offenbar
nicht nur ein Streifen
von Ida zu sehen war, sondern daneben auch ein kurzer Streifen eines
anderen Objektes. So
entdeckte sie einen kleinen Begleiter von Ida, der noch im selben Jahr
die Bezeichnung
(243) Ida I und den Namen Dactyl
erhielt, die englische Singularform von "Daktyloi"
(griechisch für "Finger", auf dem Berg Ida lebende Daimonen).
Dactyls
Oberfläche
ist
stark verkratert und folglich anscheinend ziemlich alt. Monde kleiner
Planetoiden wie
Ida sind wahrscheinlich zusammen mit ihrem Planetoiden entstanden.
Dactyl
Im Jahre 1998 wurde ein zweiter Hauptgürtelplanetoidenmond
entdeckt, diesmal bei
(45) Eugenia. Er erhielt die Bezeichnung (45) Eugenia I und zu Ehren
des kaiserlichen
Prinzen von Frankreich Napoléon Eugène Louis Bonaparte,
des Sohnes der Kaiserin
Eugénie de Montijo – nach der der Planetoid benannt worden war
–, der im Alter
von 23 Jahren im Zulukrieg starb, den Namen
Petit-Prince, nach der Hauptfigur
aus der Erzählung "Le Petit Prince" (deutsch: "Der
Kleine Prinz") von
Antoine de Saint-Exupéry.
Eugenia und Petit-Prince
Eugenia und Petit-Prince
Im Jahre 2001 wurden zwei weitere Hauptgürtelplanetoidenmonde
entdeckt:
Der eine umläuft (22) Kalliope; er erhielt die Bezeichnung (22)
Kalliope I
und den Namen Linus ("der Klagende").
Linus
war der Sohn Kalliopes
und ein berühmter Sänger und Musiker. Der andere der beiden
umläuft
(87) Sylvia, bei der 2004 ein zweiter Mond entdeckt wurde. Diese
beiden bekamen die Namen der Zwillinge Romulus
und Remus,
der Kinder Rhea Silvias, Namensgeberin des Planetoiden, die der
Legende nach Rom gründeten, und erhielten die Bezeichnungen
(87) Sylvia I bzw. (87) Sylvia II.
Kalliope und Linus
Im Jahre 2007 wurde ein Mond von (702) Alauda (lateinisch für "Lerche")
entdeckt.
Er erhielt die Bezeichnung (702) Alauda I und den Namen Pichi
üñëm
(Mapudungun für "kleiner Vogel").
Ein Jahr später wurden bei (216) Kleopatra gleich zwei Monde an
einem Tag entdeckt.
Sie bekamen die Namen Alexhelios
und Cleoselene nach den Kindern Kleopatras
VII.,
Namensgeberin des Planetoiden, den Zwillingen Alexander
Helios ("Sonne") und
Kleopatra Selene ("Mond"),
und erhielten die Bezeichnungen
(216) Kleopatra I bzw. (216) Kleopatra II.
Kleopatra mit ihren Monden Cleoselene und Alexhelios
Auch im darauffolgenden Jahr wurden zwei Monde
eines Hauptgürtelplanetoiden an
einem Tag entdeckt, diesmal bei (93) Minerva. Sie bekamen die Namen
Aegis
und
Gorgoneion (Betonung auf der zweiten
Silbe) nach den magischen Insignien der
Göttin Minerva. Minervas Aigis (griechisch episch für "Ziegenfell",
auf lateinisch:
aegis) war ein goldenes Ziegenfell, mit dem sie Gewitter heraufziehen
lassen
konnte, wenn sie es schüttelte. Seine Mitte zierte das Gorgoneion,
das
abgeschlagene Haupt der Gorgone Medusa, das die Fähigkeit besaß,
versteinern zu lassen. Aegis erhielt
die Bezeichnung (93) Minerva I
und Gorgoneion (93) Minerva II.
Minerva mit ihren Monden Aegis und Gorgoneion
Der vermutlich dunkelste aller bekannten Monde befindet sich bei (283)
Emma: seine
Albedo (Reflexionsvermögen) ist vermutlich geringer als 3 %.
Es folgen Bilder von Hauptgürtelplanetoiden mit einem unbenannten
Mond:
Antiope und ihr Mond
Pulcova und ihr Mond
Hermione und ihr Mond
Pauling und sein Mond
Heute sind über 70 Hauptgürtelplanetoidenmonde
bekannt.
In unten stehender Tabelle sind nur diejenigen aufgeführt,
die einen Namen bekommen haben.
Eine maßstabsgetreue Darstellung einiger Planetoid-Mond-Systeme
befindet sich hier.
Planetoidenmonde
im Hauptgürtel in Kürze
(alle Werte gemittelt
und gerundet)
PLANETOID | Durchmesser | Große
Bahn- halbachse |
MOND | Ent-
deckungs- jahr |
Entdecker | Durch-
messer / Größen- verhältnis |
Große
Bahn- halbachse |
Um-
lauf- zeit |
(45)
Eugenia |
206 km | 2,720 AE | I
Petit-Prince |
1998 | W. J. Merline /
L. M. Close u. a. |
7 km / 29:1 | 1164 km =
11 Eugeniaradien |
4,716 Tage |
(93)
Minerva |
142 km | 2,754 AE | II
Gorgoneion |
2009 | Franck Marchis / Brent Macomber | 3,2 km / 44:1 | 375 km =
5 Minervaradien |
1,115 Tage |
(93)
Minerva |
142 km | 2,754 AE | I
Aegis |
2009 | Franck Marchis / Brent Macomber | 3,6 km / 39:1 | 623,5 km =
9 Minervaradien |
2,406 Tage |
(216)
Kleopatra |
135 km | 2,797 AE | II
Cleoselene |
2008 | F. Marchis / P. Descamps /
J. Berthier / J. P. Emery |
6,9 km / 20:1 | 454 km =
7 Kleopatraradien |
1,24 Tage |
(216)
Kleopatra |
135 km | 2,797 AE | I
Alexhelios |
2008 | F. Marchis / P. Descamps /
J. Berthier / J. P. Emery |
8,9 km / 15:1 | 678 km =
10 Kleopatraradien |
2,32 Tage |
(243)
Ida |
60 km x 25 km x 19 km | 2,862 AE | I
Dactyl |
1993 | Ann Harch // Galileo | 1,6 km x 1,4 km x 1,2 km /
22:1 |
108 km =
7 Idaradien |
1,54 Tage |
(22)
Kalliope |
231 km x 175 km x 146 km | 2,910 AE | I
Linus |
2001 | Jean-Luc Margot / Michael E. Brown | 28 km / 6:1 | 1095 km =
13 Kallioperadien |
3,596 Tage |
(702)
Alauda |
202 km | 3,192 AE | I
Pichi üñëm |
2007 | Patricio Rojo / Jean-Luc Margot | 3,5 km / 58:1 | 1227 km =
12 Alaudaradien |
4,914 Tage |
(87)
Sylvia |
384 km x 264 km x 232 km | 3,482 AE | II
Remus |
2004 | F. Marchis / P. Descamps /
D. Hestroffer / J. Berthier |
10,6 km / 27:1 | 702 km =
5 Sylviaradien |
1,373 Tage |
(87)
Sylvia |
384 km x 264 km x 232 km | 3,482 AE | I
Romulus |
2001 | Michael E. Brown / Jean-Luc Margot | 10,8 km / 27:1 | 1351 km =
9 Sylviaradien |
3,654 Tage |
Sylvia und Romulus, Mosaik
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Dies waren die beeindruckenden Planetoidenmonde
im Hauptgürtel.
Als nächstes erwarten Euch hier
die Monde von Planetoiden in der Nähe eines Lagrangepunktes.
Seid gespannt auf die
Monde von Trojanern
Hauptquellen:
- Wm. Robert Johnston: "Asteroids with Satellites", http://www.johnstonsarchive.net/astro/asteroidmoons.html, - Stand vom 29. Dezember 2017 - MPCs, https://www.minorplanetcenter.net/iau/ECS/MPCArchive/MPCArchive_TBL.html, - Stand vom 3. Dezember 2017 |