Die Pasiphaegruppe
Am 27. Januar 1908 entdeckte Philibert Jacques Melotte einen achten
Jupitermond, der die
Bezeichnung Jupiter VIII erhielt, und am 21. Juli 1914 entdeckte Seth
Barnes Nicholson
einen weiteren, Jupiter IX. Beide hatten ähnliche Bahnen: ihre
großen Bahnhalbachsen
betrugen etwa 24 Mio. km, die Inklination (Neigung) ihrer Bahnebenen
zu ihren
sogenannten lokalen Laplace-Ebenen* (die nur geringfügig von Jupiters
Umlaufbahnebene abweichen) lag zwischen 150 und 160 Grad (zum
Vergleich: die Inklinationen der Umlaufbahnen der Galileischen
Monde liegen alle unterhalb von 0,5°).
* Jede Umlaufbahn ändert ihre räumliche Ausrichtung im Laufe
der Zeit. Auch die Ebene,
in der sie sich befindet, ändert ihre Ausrichtung. Die lokale
Laplace-Ebene eines
Mondes ist die mittlere Umlaufbahnebene dieses Mondes.
Pasiphae (jeweils Bildmitte)
Erst 1976 bekamen die beiden Monde auch Namen. Dabei führte man
das Prinzip ein, dass
prograde (rechtläufige) irreguläre Jupitermonde einen auf
a endenden Namen bekommen,
wohingegen retrograde (rückläufige) irreguläre Jupitermonde
einen auf e endenden Namen
bekommen. ("Prograd" bedeutet, dass der Mond seinen Planeten in der
gleichen Richtung
umläuft wie der Planet die Sonne, "retrograd", dass er ihn in
Gegenrichtung umläuft;
"irregulär" bedeutet, dass die Bahn des Mondes exzentrisch [nicht
kreisförmig] ist
oder eine nicht geringe Inklination hat. Prograde Monde haben eine
Inklination
zwischen 0° und 90°, retrograde eine zwischen 90° und 180°.
Alle regulären
Monde sind also prograd.) Als retrograde irreguläre Jupitermonde
bekamen
die beiden Monde also Namen auf -e, und zwar wurden sie wie die meisten
Jupitermonde nach Liebesbeziehungen Jupiters benannt: Jupiter VIII
nach
der Hexe Pasiphae (auf der zweiten Silbe
betont und "pasifa-eh" ausge-
sprochen, griechisch für "die allen leuchtet"), der Mutter des
Minotaurus,
und Jupiter IX nach der Najade (Süßwassernymphe) Sinope.
Jupiter
hatte in seiner Leidenschaft für Sinope
geschworen, ihren liebsten
Wunsch zu erfüllen, egal, was es sei. Daraufhin hatte sie gesagt:
"Ich möchte Jungfrau bleiben." So gehört Sinope
zu den
wenigen Geliebten Jupiters, denen er nicht beilag.
Im Juli 2000 entdeckten Dr. Timothy B. Spahr, Dr. James V. Scotti, Dr.
Robert S. McMillan,
Dr. Jeffrey A. Larsen, Joseph L. Montani, Arianna Gleason und Prof.
Dr. Tom Gehrels
einen weiteren Jupitermond mit ganz ähnlicher großer Bahnhalbachse
und Inklination,
der nach der Najade Callirrhoe
(vom griechischen Wort für "die Schönfließende")
benannt wurde und die Bezeichnung Jupiter XVII erhielt.
Callirrhoe
Am 25. November 2000 entdeckten Scott
S. Sheppard, Prof. Dr. David Jewitt,
Dr. Yanga R. Fernández und Dr. Eugene Magnier einen weiteren
solchen
Jupitermond, der den Namen Megaclite
und die Bezeichnung
Jupiter XIX erhielt.
Megaclite
Am 9. und 10. Dezember 2001 entdeckten Sheppard, Jewitt und Dr. Jan
Kleyna drei weitere
solche Jupitermonde, die die Namen Autonoe
(griechisch für "die Eigensinnige"), Eurydome
(nach der Okeanide [Wassernymphe] Eurynome [griechisch für "die
Weithinwaltende"],
der Mutter der drei Grazien) und Sponde (nach
einer der zwölf Horen, nämlich der
Göttin der Trankopferstunde [nach dem Mittagessen]) und die Bezeichnungen
Jupiter XXVIII, Jupiter XXXII bzw. Jupiter XXXVI erhielten.
S/2003 J 23
Im Februar 2003 entdeckten Sheppard, Jewitt und Kleyna zum Teil zusammen
mit Prof. Dr. Brett Gladman,
Dr. John J. Kavelaars, Dr. Jean-Marc Petit und Dr. Lynne Allen sieben
weitere solche Jupitermonde, von
denen vier die Namen Hegemone (nach
der Tochter von Jupiter und Eurynome, einer der drei Grazien;
griechisch für "Königin"), Aoede
(nach einer sowohl der drei Musen, nämlich der Muse des Gesanges
und der Musik, als auch der vier Musen; vom griechischen Wort für
"Gesang"),
Cyllene (nach der
Oreade [Gebirgsbaumnymphe]; "Dame des [Gebirges] Kyllene") und Kore
(einen
Beinamen für
Persephone, der Tochter Jupiters, der Herrin des Totenreiches; griechisch
für "Mädchen") und
die Bezeichnungen Jupiter XXXIX, Jupiter XLI, Jupiter XLVIII bzw. Jupiter
XLIX erhielten;
ein Mond erhielt die Bezeichnung Jupiter LVIII, hat aber noch keinen
Namen bekommen.
Die anderen beiden Monde tragen vorerst nur provisorische Bezeichnungen.
So heißt
"S/2003 J 23" z. B.: "Satellit,
und zwar mit Entdeckungsfoto aus dem Jahr 2003
bei Jupiter, 23. Entdeckung aus 2003 bei Jupiter".
Kore
Im September 2011 entdeckte Dr. Sheppard einen weiteren solchen Jupitermond,
der die Bezeichnung Jupiter LVI erhielt; die Namensgebung steht noch
aus.
Im Jahr 2017 schließlich entdeckten Sheppard und Dr. Chadwick
("Chad") Trujillo,
der bereits etliche transneptunische Objekte (TNOs) entdeckt hatte,
noch einen
weiteren solchen Jupitermond, der die Bezeichnung Jupiter LIX erhielt;
auch hier steht die Namensgebung noch aus.
Animation zur Entdeckung von Jupiter LIX
Die großen Bahnhalbachsen dieser insgesamt sechzehn Monde betragen
zwischen
22,6 und 24,5 Mio. km (bzw. zwischen 316 und 343 Jupiterradien) und
die
Inklinationen ihrer Umlaufbahnen zwischen 145,1° und 158,3°,
sodass die
fünfzehn Monde eine Gruppe bilden, nach ihrem mit 61 km Durchmesser
größten Mond Pasiphaegruppe
genannt. Die Umlaufzeiten dieser
Monde liegen zwischen 689 und 777 Tagen, also um die 2 Jahre.
In diesem Diagramm sind die großen Halbachsen
(in Mio. km) und die Inklinationen der Bahnen
der Monde aus den drei retrograden Gruppen gegeneinander
aufgetragen. Monde mit ähnlichen
Bahnparametern bilden eine Gruppe: die sehr dichte
Carmegruppe (in grün), die stark gestreute
Anankegruppe (in blau) und die noch stärker
gestreute Pasiphaegruppe (in rot). Die Größe
eines jeden Kreises gibt den Durchmesser des
jeweiligen Mondes an.
Die Pasiphaegruppe entstand vermutlich
aus einem einzigen Planetoiden, der vom
Jupiter eingefangen wurde und in Stücke brach. Allerdings sind
die Inklinationen
ihrer Monde stärker gestreut als die der Monde aus der Ananke-
und aus der
Carmegruppe (13,1° im Gegensatz zu 9,1° bzw. nur 0,4°,
siehe Diagramm),
sodass es auch möglich ist, dass die Pasiphaegruppe
aus zwei Planetoiden
entstand, die eingefangen wurden und in Stücke brachen: in diesem
Fall
entstanden aus dem einen Sinope
und Aoede, die sehr ähnliche Inklinationen
aufweisen, während aus dem anderen die dreizehn übrigen Monde
entstanden,
deren Inklinationen nur um 9,0° divergieren.
Skizzen der Bahnen der Jupitermonde befinden sich hier.
Die Pasiphaegruppe in Kürze
MOND | Bezeich-
nung |
Entdek-
kungsjahr |
Entdecker | Durch-
messer |
Rang | Große
Bahn- halbachse |
Um-
lauf- zeit |
Inkli-
nation |
- | Jupiter LVIII | 2003 | S. S. Sheppard /
B. Gladman u. a. |
Ca. 2 km | 34. | 22627000 km =
ca. 316 Jupiterradien |
689,8 Tage
(retrograd) |
146,5° |
- | Jupiter LVI | 2011 | Scott S. Sheppard | Ca. 1 km | 37. | 23124000 km =
ca. 323,4 Jupiterradien |
718,4 Tage
(retrograd) |
153,6° |
Eurydome | Jupiter XXXII | 2001
(nachgewiesen 2002) |
S. S. Sheppard /
D. C. Jewitt / J. Kleyna |
Ca. 3 km | 38. | 23146000 km =
ca. 323,8 Jupiterradien |
717,3 Tage
(retrograd) |
150,3° |
- | Jupiter LIX | 2017 | S. S. Sheppard /
Ch. Trujillo |
Ca. 2 km | 53. | 23484000 km =
ca. 328,5 Jupiterradien |
735,2 Tage
(retrograd) |
149,2° |
S/2003 J 23 | - | 2003
(nachgewiesen 2004) |
S. S. Sheppard /
D. C. Jewitt / J. Kleyna |
Ca. 2 km | 57. | 23567000 km =
ca. 329,6 Jupiterradien |
732,5 Tage
(retrograd) |
146,4° |
Hegemone | Jupiter XXXIX | 2003 | S. S. Sheppard /
D. C. Jewitt / J. Kleyna |
Ca. 3 km | 58. | 23575000 km =
ca. 329,8 Jupiterradien |
739,8 Tage
(retrograd) |
154,2° |
Pasiphae | Jupiter VIII | 1908 | Philibert Jacques Melotte | 61 km | 59. | 23629000 km =
ca. 330,5 Jupiterradien |
743,6 Tage
(retrograd) |
151,4° |
Sponde | Jupiter XXXVI | 2001
(nachgewiesen 2002) |
S. S. Sheppard /
D. C. Jewitt / J. Kleyna |
Ca. 2 km | 60. | 23790000 km =
ca. 332,8 Jupiterradien |
748,3 Tage
(retrograd) |
151,0° |
Cyllene | Jupiter XLVIII | 2003 | S. S. Sheppard /
B. Gladman u. a. |
Ca. 2 km | 61. | 23800000 km =
ca. 332,9 Jupiterradien |
752,0 Tage
(retrograd) |
150,3° |
Megaclite | Jupiter XIX | 2000 | S. S. Sheppard /
D. C. Jewitt / Y. R. Fernández / E. Magnier |
Ca. 5,4 km | 62. | 23814000 km =
ca. 333,1 Jupiterradien |
752,9 Tage
(retrograd) |
152,8° |
S/2003 J 4 | - | 2003 | S. S. Sheppard /
D. C. Jewitt / J. Kleyna |
Ca. 2 km | 63. | 23929000 km =
ca. 334,7 Jupiterradien |
755,3 Tage
(retrograd) |
149,6° |
Sinope | Jupiter IX | 1914 | Seth Barnes Nicholson | Ca. 37 km | 64. | 23942000 km =
ca. 334,9 Jupiterradien |
758,9 Tage
(retrograd) |
158,2° |
Aoede | Jupiter XLI | 2003 | S. S. Sheppard /
D. C. Jewitt / J. Kleyna |
Ca. 4 km | 65. | 23974000 km =
ca. 335,3 Jupiterradien |
761,4 Tage
(retrograd) |
158,3° |
Autonoe | Jupiter XXVIII | 2001
(nachgewiesen 2002) |
S. S. Sheppard /
D. C. Jewitt / J. Kleyna |
Ca. 4 km | 66. | 24037000 km =
ca. 336,2 Jupiterradien |
761,0 Tage
(retrograd) |
152,4° |
Callirrhoe | Jupiter XVII | 2000 | T. B. Spahr /
J. V. Scotti u. a. |
Ca. 7 km | 67. | 24099000 km =
ca. 337,1 Jupiterradien |
758,8 Tage
(retrograd) |
147,1° |
Kore | Jupiter XLIX | 2003 | S. S. Sheppard /
B. Gladman u. a. |
Ca. 2 km | 68. | 24482000 km =
ca. 342 Jupiterradien |
776,8 Tage
(retrograd) |
145,2° |
Anankegruppe
Carmegruppe
S/2003 J 2
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Dies war die beeindruckende Pasiphaegruppe
des
Jupiters.
Als nächstes erwarten Euch hier
weitere Monde des Saturns. Seid gespannt auf die
irregulären Saturnmonde
Quellen:
Jupiter LVIII, Cyllene, Kore:
Jupiter LVI:
Eurydome, Sponde, Autonoe, Callirrhoe:
Jupiter LIX:
S/2003 J 23:
Hegemone, S/2003 J 4, Aoede:
Pasiphae, Sinope:
Megaclite:
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